Ablesung Wasserzähler

Für die Abrechnung des Jahres 2019 dürfen die Bürger nun ihre Wasserzählerstände selbst ablesen und ab dem 19.12.2019 in die Eingabemaske auf der Startseite der Homepage der Gemeinde Biebertal www.biebertal.de eingeben.
Zusätzlich werden in Kürze an die Eigentümer von Häusern in Königsberg, Fellingshausen, Frankenbach, Rodheim-Bieber und Vetzberg Erinnerungsschreiben versendet – an Krumbach nicht, da dort die Wasserleitung aus einem anderen Netz gespeist wird.

Bitte lesen Sie Ihre Zählerstände in der Zeit vom 16.12.2019 bis 5.1.2020 ab und geben die Daten weiter, sonst wird Ihr Jahresverbrauch an Wasser für das Jahr 2019 geschätzt und in Rechnung gestellt.
mit freundlichem Gruß, Ihre Gemeindewerke Biebertal

Quelle: Biebertaler Nachrichten, 13.12.2019

Kommentar:
Geiz ist geil“, dieser selbstzerstörerische Werbeslogan einer großen Elektronikhandelskette, der uns von 2002 bis 2011 vielfältig erreichte, hat sich unmerklich in unsern Köpfen festgesetzt. Der Slogan benannte eine Tendenz im deutschen Konsumverhalten, in der vor allem der Kaufpreis einer Ware zählte, während Qualität, Langlebigkeit, Funktionsumfang, Betriebskosten und Service im Handel oder die Produktionsbedingungen in den Hintergrund traten. Die „Geiz-ist-geil-Mentalität“ führe zu einem verstärkten Preiswettbewerb, zu Qualitätsproblemen, einer Zunahme von Billigprodukten, zu aggressiver Marktpolitik und ruinösem Wettbewerb.

Warum dieser Vorspann?
Es ist doch prima, wenn die Gemeinden Kosten einsparen, modern werden und die digitalen Möglichkeiten der Datenverarbeitung endlich nutzen. Oder?
Ja, das ist so … zumindest kurzfristig gedacht. Aber jeder mediale “Kontakt” bedeutet einen realen Sozialkontakt weniger.
Das wäre im Einzelfall vielleicht nicht so schlimm und kaum bedenklich, aber nicht nur die Gemeinde verlagert ihre Serviceaufgaben auf ihre “Kunden”, auch viele andere tun das: siehe Homebanking, Selbstbedienkasse im Supermarkt, Zahlen mit dem Smartphone usw.
Die echten, zeitaufwendigen realen Beziehungen leiden, werden weniger, Missverständnisse durch die informationsreduzierten Medienkontakte und die ängstlich motivierten Spaltungstendenzen nehmen gesellschaftlich zu.
Langfristig gesehen ist Einsamkeit eine sowohl real schmerzhafte, ansteckende und tödlich verlaufende, bislang unterschätze Krankheit*;
langfristig gesehen, zahlen wir möglicherweise einen hohen Preis für unsere Bequemlichkeit und Achtlosigkeit im Zusammenhang mit den sich gerade entwickelnden Veränderungen. Als Stichworte seien hier nur social scoring* oder individualisierte Preise benannt.

* Quelle: Spitzer, Manfred: Einsamkeit, die unbekannte Krankheit

* Mit einem Sozialkreditsystem (aktuell u.a. in China mit den moralischen, sozialen, rechtlichen, wirtschaftlichen und politischen Ansprüchen der dortigen Kommunistischen Partei) findet ein permanentes Rating und Scoring mit Blick auf die Lebenssituation, das Sozialverhalten oder Verwaltungs- und Wirtschafts-aktivitäten statt. Dabei werden vernetzte Datenbanken sowie Bild- und Tonsysteme in Verbindung mit Big-Data-Analysen und Methoden der Künstlichen Intelligenz eingesetzt.
Quelle: https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/sozialkreditsystem-100567

Wir werden mit diesen Entwicklungen leben. Das ist keine Frage; wir werden uns dem stellen müssen. Wir dürfen vor allem den kritischen Blick darauf nicht verlieren; müssen lernen sensibler mit Daten umzugehen; bedenken, dass viele Untersuchungen einhellig belegen, dass: je häufiger der Umgang mit Medien, um so mehr unglückliche und depressive Symptome sind zu finden.
Insbesondere bei kleinen Kindern sind die Auswirkungen gravierend:

(aus Nichtrauer-Familien; Stichprobengröße n = 1161)
Quelle: Spitzer, M., Fernsehen – erst gar nichts und später das Falsche lernen,
In: Nervenheilkunde, 7/2013

Am 13.09.2018 berichtet z.B. die FAZ von 43 Milliarden Euro Schaden durch Hackerangriffe. Immer wieder und immer mehr finden sich Schlagzeilen, wie die vom 10.12.2019: Hackerangriff auf Uni – An der Justus-Liebig-Universität stehen alle Server still. Mühsam muss nun jeder PC auf Schadsoftware überprüft werden. Das kostet Zeit und Geld, viel Geld; vom ideellen Schaden einmal ganz abgesehen.
Und, da kaum jeder Student usw., der Zugang zum System hat, überprüft werden kann, kann sich die Infektion jederzeit wieder ausbreiten.
Ja, es gibt viele nette Menschen und wenn wir ihnen vertrauen, können wir unsere Haustüren ruhig offen stehen lassen …
und tatsächlich passiert dabei die meiste Zeit auch nichts.
Wir sind jedoch gerade dabei, auf Grund von Sparzwängen und auf Druck der Datengoldgräber, über die IT gleich auch unsere Tresore mit all unseren privaten und sensiblen Daten zu öffnen.
Datensicherheit ist eine Illusion!
Dennoch werden alle in einer Gemeinde über uns gespeicherten Daten, dank Herrn Spahn nun auch unsere Gesundheitsdaten oder seit langem schon unsere Bankdaten zum Klauen frei gegeben?
Ja, es ist bequem … aber, ist es auch langfristig sinnvoll?

Wie weit soll die Abhängigkeit von den Maschinen und seinen Programmierern gehen? Wie verändert sich dadurch unsere Sicht auf die Welt? Wollen wir tatsächlich mehr von diesen kleinkindhaften Verhaltensweisen? Der Slogan eines Telekommunikationsanbieters: Du willst es. Du kriegst es. so wie es für Kleinkinder wichtig und sinnvoll ist, wird sich im Rahmen unserer finanzpolitischen und klimatischen Entwicklung schon bald als großer Irrtum und Unsinn erweisen.
Welchen Weg gehen dann all die enttäuschen Menschen?

Ja, auch wir nutzen dieses Medium, … um Kontakte zu machen. Denn wirkliches Miteinander geht eben nur miteinander, im persönlichen Austausch.
Wie immer ist es eine Frage der Nutzung, ob ein Medium (lateinisch für „Mitte, Mittelpunkt“) ein trennendes Dazwischen wird oder ein verbindender Vermittler … und es ist eine Frage des schon vorhandenen Wissens, ob die dargebotenen Informationen in Fake oder glaubhaft unterscheiden werden können … und bleibt die Frage, ob ein Gemeinwohl oder ein Eigennutz das eigene Bemühen antreibt.
Dieses Thema braucht unser aller Aufmerksamkeit, um nicht in Gewohnheit und Gleichgültigkeit zu fallen, so wie es die alles nivellierenden Oberflächen der Gerate selbstverständlich erscheinen lassen.
Manchmal ist der Besuch eines Wasserzählerablesers eben doch eine wichtige, manchmal gar lebenswichtige Sache.

Dr. med. Alfons Lindemann