Gastbeitrag Christine Feuerstein
Heute (so schrieb sie; das war am 6. Januar 2024, Heilige drei Könige) ist eigentlich ein Feiertag und ganz klar in meiner südlichen Heimat arbeitsfrei. In Hessen, traditionell evangelisch geprägt, ist das nicht so; aber heute ist in diesem Jahr Samstag und darum ebenfalls arbeitsfrei. Zeit, sich Gedanken und Erinnerungen hinzugeben, sie aufzuschreiben. Denn viele der Rituale gehen in unserer modernen Welt verloren.
Ob es immer noch die speziellen Angebote im Supermarkt gibt, mit denen es leicht war, sich zum Kaffee mit Dreikönigskuchen zu treffen? In dem war etwas Unkalkulierbares eingebacken – ein Geldstück, eine ganze Mandel oder auch mal ein Holz-oder Plastikteil – und wer es fand, der durfte König für diesen Tag sein und bestimmen, was gemacht wird. Der gekaufte Kuchen kam oft noch mit einer Pappkrone daher, damit alle Bescheid wissen. Und danach, bis spätestens Mariä Lichtmess am 2. Februar, wird dann der Weihnachtsbaum abgebaut und die Weihnachtszeit ist vorbei. Oft auch die Schulferien. Das neue Jahr kann beginnen.
Hier in Hessen hält man leider von solcher Folklore nicht viel, und sie wird auch durch viele fremdartige Zugezogene verwässert bzw. vernebelt. Bisschen schade!
Im Winter vermisse ich immer besonders die vielen Rituale und Festzeiten von früher:
Los gings im November mit dem Vortreiben von Tulpen- und Hyazinthenzwiebeln in speziellen Blumentöpfen, auf die mein Vater spitze Hütchen aus schwarzer Pappe gesetzt hatte und die erst im Keller standen, damit sie jetzt im Januar zu blühen begannen.
Dann kam auch das Gießen von Meisenringen mit Rindertalg, was sich besonders im Rheinland lohnte, wo der Winter nicht so hart ist. Die „Kölner Bucht“ ist ja vom Wetterbericht als milde Gegend bekannt, genau wie das Breisgau am Oberrhein um Freiburg. Jetzt, wo wir eine Kältewelle erwarten, ist mir das besonders bewusst. Und dazu ist noch nützlich zu wissen, dass die Mutter meines Vaters aus Köln stammt und katholisch war. Deswegen ging garnix ohne St. Martin am 11. November abends, um mit Laternen das Dunkel zu verscheuchen, nachdem vormittags die Fastnacht eingeläutet war…
Danach kam aber zwingend der evangelische Buß- und Bettag, an dem das Weihnachtsgutsel-Backen losging. Die Christstollen, die dann in Zellophan verpackt und mit einem Goldstern verziert wurden, damit sie schön saftig blieben, wurden an die Verwandten verschickt und natürlich später auch gerne selbst gegessen. Wir haben unseren immer am Weihnachtsabend angeschnitten – nach dem Kartoffelsalat oder einer warmen Suppe.
Ende November war meist das Schülervorspiel des Musikunterrichts – also mit Eltern in den vorderen Sitzreihen und den ersten Plätzchen. Danach wurden nur noch Weihnachtslieder geübt und gespielt, die von Jahr zu Jahr besser gelangen und so zufriedenstellten.
Am Weihnachtsabend gab´s drum keinen Stress mehr und die Musik war nur noch ein schönes Erlebnis! Leider haben mich mein Mann- und besonders meine Schwiegermutter – hier sehr enttäuscht. Er kannte fast keine Weihnachtslieder; und auch sie wünschte sich keine Weihnachtsmusik. So gab es keine besinnliche Stimmung mit ihr – dafür bestand sie auf ihrem Besuch der katholischen Messe mit Krippenspiel , die hier in Wetzlar zur gleichen Zeit stattfand wie der Nachmittagsgottesdienst für die Kinder und Familien in Naunheim. Ach wie bitter. Diesen Konflikt konnten wir nicht lösen. Einige Jahre hat mich dann die späte Christmette mit dem Frauenchor hier entschädigt, aber die gibt’s ja nun nicht mehr.
Im vormals schneereichen und kalten Süden Deutschlands pflegte man nach Weihnachten die Tradition des “Christbaum–Lobens“: d.h. man stapft, eingemummelt in warme Kleidung, zu den Nachbarn, um deren Christbaum zu betrachten, zu loben, schöne Kommentare abzugeben. Bei diesem Plausch ging es aber auch darum, einen Kaffee und/oder besser einen Schnaps abzustauben! Wie schön, dass wir Nachbarn mit oberbayerisch-fränkischem Migrationshintergrund haben, denen wir solche Ideen nicht erst mühsam nahebringen mussten! Gestern haben wir also miteinander einen Spaziergang am Krippenweg in Fellingshausen gemacht und danach zum Kaffee bei einem Stück Hefekuchen zusammengehockt.
Bedankt u nochmal!
Zum Schluss meiner Gedanken noch etwas Modernes, Aktuelles:
Ich las grade über Astronauten in der ISS und wie nötig es da für das Zusammenleben und Überleben ist, offen mit Fehlern umzugehen, aufzuräumen und Sozialkompetenz zu pflegen. Das sollten uns allen beste Hinweise und Ziele fürs kommende Jahr sein! Dies als Bitte um Schritte in diese Richtung …
Foto. Rainer Thomé