Laut einer aktuellen Analyse des Pestel-Instituts sind Genehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser im Kreis Gießen deutlich zurückgegangen. Der Traum vom Eigenheim zerplatzt für viele gerade an den Rahmenbedingungen: Inflation und daher höherer Eigenkapitalbedarf für einen Bankkredit und eine höhere Einschätzung des Haushaltsbedarfs, steigende Kreditzinsen und gestiegene Baukosten – mal ganz abgesehen vom erheblichen bürokratischen Aufwand und neuen Anforderungen an Dämmung, Heizung usw. Die ausbleibende Eigentumsbildung vermindert dann die Zahl der frei werdenden Mietwohnungen und bewirkt Rückkopplungen auf die Mietpreise.
Neben der Regional-Anlayse mit rund 46 % Wohneigentumsquote hat das Pestel-Institut auch einen “Mackbarkeits-Check Wohneigentum” für den Kreis Gießen vorgelegt. Der Fokus lag dabei auf einem Reihenhaus-Neubau mit 95 m² Wohnfläche für eine 4-köpfige Familie. Kernfrage: Wer kann sich den Bau eines solchen Hauses aktuell leisten?
Berücksichtigt bei den Berechnungen wurden Zinsen, lokale Baulandpreise und aktuelle Baukosten. Ausgegangen wurde davon – unabhängig von der Zahl der Verdiener -, dass maximal 40 % des Nettoeinkommens für die Finanzierung von Wohneigentum aufgewendet werden.
Das ernüchternde Ergebnis: Die Grenze für den Erwerb und Bau eines solchen Eigenheims liegt derzeit für einen Privathaushalt bei 5200,- € Nettoeinkommen monatlich. Wer bei diesem Einkommen oder darüber liegt benötigt ferner mindestens 40.000,- € Eigenkapital. Selbst ein Reihenhaus könne sich in unserer Gegend also nur eine “Verdiener-Elite” leisten.
Für alle anderen Haushalte sei Wohneigentum nur finanzierbar, wenn der Staat den Menschen dabei unter die Arme greift. Das in diesem Jahr aufgelegte Wohneigentumsförderung des Bundes gehe da völlig an der Lebensralität vorbei.
Um so mehr rückt da der Erwerb von Bestandsimmobilien in den Blick, der die Ortskerne am Leben erhält.
Allerdings ist auch dabei zu bedenken, dass neben dem Kaufpreis, Grundsteuer, evtl. Maklergebühren und vor allem Ertüchtigungskosten bei Renovierungsstau und für energetische Sanierungsmaßnahmen hinzukommen.
Aber auch der Neubau von Mehrfamilienhäusern ist bei den derzeitigen gesetzlichen Anforderungen so kostenintensiv, dass die Erstellung von “bezahlbarem” Wohnraum reine Illusion ist. Viele Bauträger mussten zuletzt Insolvenz anmelden, so dass Sozialwohnungen es nur bis in die Rohbauphase geschafft haben und nun erst einmal so stehen bleiben. Die bereits bezahlten Kaufpreise für die erwarteten eigenen Räumlichkeiten sind da nun futsch.
Quelle: Gießener Allgemeine, 28. 9. 2023, Foto: Harald Kienholz