Ein Gastbeitrag von Tim Mattern
Sie werden mit Füßen getreten, platt gefahren; und wenn man ihnen Beachtung schenkt, dann meist indem sie vergiftet, verbrannt oder ausgerissen werden. Die Rede ist von den Pflanzen, die Asphalt und Pflastersteinen zum Trotz aus kleinsten Ritzen in Stadt und Dorf wachsen. Auch diese Überlebenskünstler sind ein Teil der heimischen Artenvielfalt, gibt es doch immer ein Krabbeltierchen oder einen Vogel, der von ihrem Dasein profitiert. Der Vogelknöterich zum Beispiel – zwischen Bord- und Rinnstein oder dem in Biebertaler Dörfern noch zu findenden Basaltkopfsteinpflaster wächst er genauso wie auf geschotterten Feldwegen. Bluthänflinge und Stieglitze, die ebenso im Dorf ihren Lebensraum finden, fressen seine Samen.
Um auf die Artenvielfalt vor unserer Haustür, sozusagen zu unseren Füßen, hinzuweisen dachte sich der Botaniker Boris Presseq vom Museum für Naturgeschichte in Toulouse eine städtische Botanikbewegung aus: Pflanzen im urbanen Umfeld markieren und benennen. Anfangs mit kleinen Schildchen ziehen heute europaweit Pflanzenfans mit Straßenkreide durch viele Städte und beschriften die „Unkräuter“ dort, wo sie gerade sprießen. Für weitere Information sind die Hashtags #krautschau und #mehralsunkraut zu finden – sie führen zu Artikeln und Fotos im Internet, auch durch die sozialen Netzwerke geistern sie.
Das Wissen um Tier- und Pflanzenarten geht immer mehr verloren. Wie die Arten verschwinden auch die Artenkenner. Und so erhalten die Botanikaktivisten recht viel Zuspruch, zum Beispiel von interessierten Passanten.
Kürzlich las ich erstmals von der Aktion und den Hashtags, rein zufällig zwei Tage vor einem europaweiten Aktionstag. Als Naturfreund und Verfechter von Artenvielfalt bin ich für sowas immer zu haben und habe direkt die Pflanzen rund um mein Grundstück beschriftet. Bei der Pflege der „Gass“ lasse ich Zurückhaltung und geordnetes Chaos walten, so dass zwischen Grundstücksmauer und Bürgersteig allerhand Blümchen wachsen dürfen. Möglicherweise zum Leidwesen derjenigen, bei denen alles steril und sauber sein muss.
Pflanzenbestimmung funktioniert auch heute noch analog mit tollen Büchern, aber es gibt auch Apps mit denen man erstaunlich einfach zu recht sicheren Ergebnissen gelangt: Flora incognita und PlantNet. Beobachtungsdaten von allen Pflanzen- und Tierarten kann man beispielsweise auch Portale wie naturgucker.de eingeben.
Weitere Informationen siehe: g-artenvielfalt.de/Wildkraeuter-was man in Fugen entdeckt
Bilder & Text: Tim Mattern