Am Donnerstag, den 10. April 2025 war es nach der Corona-Pause wieder so weit, dass man sich – vorbereitet von einem Team Freiwilliger – zu Kaffee, Kuchen und Unterhaltung im evangelischen Gemeindehaus wieder in Rodheim getroffen hatte.
Aus diesem Anlass ein Artikel zum Thema Psyche und Alter:

Erinnern Sie sich noch, was Sie als Kind werden wollten? … Erinnern Sie noch die Musik Ihrer Jugend?
Damals war vieles Neu und aufregend, so dass sich tiefe Spuren der Ereignisse in unser Gehirn eingeprägt haben.
Damals wollten wir so schnell wie möglich groß sein und typischerweise möchten auch später die meisten Menschen alt werden.
Dabei ist man in der Jugend darauf angewiesen, zu phantasieren und zu spekulieren, wie es wohl sein wird.
Der Philosoph Kierkegard formulierte dazu: „Das Leben lässt sich nur rückwärts verstehen, leben muss man es allerdings vorwärts“.
Ja, erst im Alter lässt sich zurückblicken und Resümee ziehen. Da stellt sich dann oft heraus, dass man zwar alt werden möchte, nicht aber alt sein, mit all den Wehwehchen, Verlusten, Schwächen und dem nahenden Sterben.
Doch jetzt im Alter können wir uns Zeit nehmen und uns wieder besinnen, was im Leben wirklich wichtig ist, können ordnen, uns freuen und betrauern, was wir erlebt haben oder nicht hatten und nicht mehr erreichen können. Wir können es uns leisten, mehr im Hier und Jetzt präsent zu sein und genießen, was da ist.
Schaffen wir den Schritt heraus aus unseren Vorstellungswelten, Wirklichkeitskonstruktionen und Idealen nicht, leiden wir an dem, was wir meinen, was sein sollte, was aber nicht ist. Wir leiden am Vergleich und an Illusionärem, denn in der Phantasie geht unendlich viel, während wir real immer nur Eines sein und tun können.
Es gilt anzunehmen, was der Alterungsprozess mit sich bringt:
- Leistungsabfall und Abnahme der Belastbarkeit
- Einschränkungen des Seh- und Hörvermögens
- Sturzgefahr und Sturzneigung, Immobilität
- Verändertes Schmerzempfinden, chronische Schmerzen
- Erholung und Wundheilung dauern länger
- Krankheitsrisiko und Anfälligkeit für Erkrankungen steigen allgemein
- Gefahr von -chronischen – Mehrfacherkrankungen nimmt zu
- zunehmendes Risiko für Abbauprozesse und Hirnleistung = Demenz
Neben den Veränderungen der eigenen Körperlichkeit haben auch die Ereignisse im sozialen Umfeld erheblichen Einfluss auf das Befinden:
- Alleinsein oder auch Vereinsamung durch Verlust von Partner/in, Freund/innen, Arbeitskolleg/innen, Verwandten, die weiter weg wohnen
- Verlust an Selbständigkeit und Kontaktmangel durch körperliche und/oder geistige Einschränkungen und eingeschränkte Mobilität
- Ggf. wirtschaftliche Not durch geringe Rente, steigende Gesundheits- bzw. Pflegekosten
- Sicherheit und Schutz gewinnen als Themen an Bedeutung, so dass Personen, denen man vertraut, wichtiger werden.
In der Psychologie wird das Altern meist als eine Wanderung durch die Zeit erlebt und oft als Halbkreis gezeichnet, sozusagen von der Windel in die Windel.
Dabei ist Wandel, sind ständige Auf- und Abbauprozesse sowie das Streben nach einem Gleichgewicht notwendige Bedingungen des Lebendigen.
Wachsen zu viele Zellen neu und unreguliert = Krebs; sterben zu viele Zellen ungewollt = z.B. Herzinfarkt. Ganz regulär sterben pro Tag rund 1,2 kg Zellen, während andere entstehen; das sind pro Sekunde etwa 1 Million Körperzellen.
Bei ca. 28-36 Billionen = 1.000.000.000.000 = zwölf Nullen) Körperzellen können wir uns das locker leisten.
Und obwohl Ihr Fotoalbum allerlei unterschiedliche Figuren zeigt, schafft es unser Verstand, über all den Verschiedenen ein konstantes Ich-Bewusstsein aufrecht zu erhalten; und, da die im Gehirn eingespeicherten (eher statischen) Bilder nicht mitwachsen, fühlen wir uns meist jünger als der Personalausweis uns weis machen will.
Während wir reifen, verlieren wir nie den Bezug zu den früheren Lebensphasen, den früheren Identitäten, Erlebens- und Verhaltensmustern. Vergleichbar den russischen Matroschkas sind die früheren Erfahrungen quasi wie Puppen in der heute sichtbaren erwachsenen Puppe ineinander verschachtelt und immer am aktuellen Erleben beteiligt.
Denn im Gehirn vergeht keine Zeit; dort gibt es nur Einträge und Informationen, die in elektrischen und chemischen Erregungsmustern gespeichert sind.
Insbesondere im Alter, wenn die Abwehrstrukturen schwächer werden, tauchen viele der früheren Erlebnisse als Erinnerungen und traumatische Erlebnisse wieder in unserem Bewusstsein auf, zum Teil werden sie so lebhaft und aktuell als würden sie gerade jetzt stattfinden, erlebt.
Das ist dann für Außenstehende oft nicht verständlich. Dabei lebt jeder immer in seiner eigenen, ganz persönlichen Wirklichkeit.
Um missverständnisarm kommunizieren zu können, müssen wir daher die wirksame gemeinsame Wir-klichkeit immer erst verabreden und regeln.
Jeder, insbesondere ein Kind und ein älterer Mensch, braucht Akzeptanz und das Gefühl des Angenommenseins, ein Zuhören; manchmal ein Leiten, aber keine Verbesserungen.
Veränderungen verunsichern, machen zum Teil Angst, insbesondere wenn man sie (wie bei dementen Menschen) bei sich selbst nicht versteht oder man den Wandel (oft anfangs) nicht wahrhaben möchte – oder wenn das Hirnleistungsvermögen Steuerungsfunktionen, Reflektion oder Impulskontrolle nicht mehr hergeben. Andererseits finden in diesen Grenzsituationen Wachstum und Entwicklung statt – bis ins hohe Alter!
Gerade in stressenden Situationen gehen höhere Hirnleistungen, wie moralische Werte und kreative Lösungsmöglichkeiten, zurück;
uralte Überlebensmodi werden aktiv: Fliehen bzw. Vermeiden, aggressiv werden und kämpfen oder totstellen, sich nach Innen zurückziehen.
Das aber sind Notfallreaktionen zur Lösung kurzzeitig auftretender realer Herausforderungen. Hält die Bedrohung jedoch länger an, wie oft in der Kindheit oder im Alter, dann bleibt nur noch die Anpassung; und zwar um dem Preis des „nicht Merkens“, so tun, als ob es nicht schlimm sei oder sich mit dem Aggressor identifizieren und seinem Beispiel nacheifern.
Solche ererbten Funktionen entwickelt sich schon ab unserer Zeit im Mutterleib, wenn wir die Evolution im Schnelldurchlauf vom Einzeller zum funktionierenden Vielzeller durchlaufen. Dabei wächst das Gehirn sozusagen von hinten-unten nach vorn, von den grundlegenden Funktionen zum Überleben, über die Steuerung der Motorik bis zuletzt gerade die menschlich-reifsten Funktonen im Frontalhirn ausreifen; Richtung 25. Lebensjahr.
Im Alter kehrt sich dieser Prozess, bereits ab den 30. Lebensjahr beginnend, um. Daher nehmen Sie komisches Verhalten im Alter nicht persönlich!
- Nehmen Sie sich im Kontakt Zeit, haben Sie Geduld!
- Sprechen Sie in einfachen, klaren Sätzen, verzichten Sie auf moderne Wörter!
- Hören Sie aktiv zu und lassen Sie die älteren Personen reden.
- Machen Sie sich klar, dass dieser Mensch zuvor selbständig sein Leben gelebt und organisiert hat.
Das möchte er/sie auch weiterhin.
Daher keine Bevormundung, nicht zu viel Arbeit abnehmen, die Person nicht ändern wollen;
es macht wenig Sinn, auf der eigenen Meinung zu beharren, wechseln Sie lieber das Thema. - Entwickeln Sie Verständnis für die individuelle Situation Ihres Gegenübers.
Auch Sie wollen ernst genommen und wertgeschätzt werden. - Das Wichtigste – für jedes Kind wie auch in älterem Alter – ist das Gefühl, bedingungslos geliebt zu werden.
Selbst wenn vieles oder viele Worte nicht mehr verstanden werden; die Stimmung im Raum, die Haltung des Gegenübers, werden bis zuletzt sehr deutlich wahrgenommen.
Machen Sie sich immer wieder klar, Menschen möchten
… sozial eingebunden sein
… so lange, wie möglich in ihrer vertrauten Umgebung bleiben
… nützlich und hilfreich sein
… selbständig und selbstbestimmt bleiben
… sich sicher fühlen
Zudem sehen wir als Grundbedürfnisse immerzu das Streben nach Lustvollem und das Vermeiden von Unlust, das Bedürfnis nach Bindung und Zugehörigkeit, ein Bemühen um Orientierung, Kontrolle und Sicherheit (die aber nur partiell erreichbar sind und letztlich illusionäre Ziele bleiben),
des weiteren finden wir das Streben nach Selbstschutz, aber auch Loyalität und altruistisches Verhalten als angeborene Verhaltensmuster,
die zum Teil erst durch Erziehungmaßnahmen verloren gehen: Durch Ideologien, Glaubensvorstellungen und den Wechsel unserer Orientierung aus dem direkten sinnlichen Erleben in den Modus der Symbole, der Sprache und Bilder.
Während wir anfangs in direktem sinnlichen Kontakt mit der Welt sind, wechselt unsere Aufmerksamkeit ins „darüber Sprechen“, so dass ein Erleben wie außerhalb der Welt entsteht und ein Erleben, als würden wir die Welt erschaffen. Die Orientierung richtet sich nach außen, während die inneren Bezüge und Sicherheiten schwinden. Es wird gefragt: „Was soll ich tun“, statt dass man für sich klärt: „Was will ich tun“.
Letzteres gilt als egoistisch. Doch gerade der Egoismus – im Gegensatz zur Egozentrik und Selbstsucht – hat immer auch die Umwelt im Blick, denn nur ein einer freundlichen Umwelt lässt sich mein egoistisches Bedürfnis nach Wohlbefinden realisieren.
Symbole fixieren, ja töten das bewegte und unkalkulierbare Lebendige, erschaffen eine Haltbarkeit und lassen ein scheinbar sicheres, kalkulierbares und vorhersehbares, formalisiertes und monotones Bild entstehen. Wir konstruieren damit die Illusion des eigenen Herausgehobenseins aus der Natur und der Besonderheit, die wir dann fürchten zu verlieren.
Denn wie in unseren Navis im Auto sind in unseren Vorstellungen von uns und der Welt nur die uns interessierenden – oft die negativen – Aspekte eingetragen, und das oft verzerrt und unvollständig oder gar mit nicht Existentem bereichert.
Das Denken an sich erzeugt, dadurch dass wir etwas benennen, eine Spaltung, eine Unterscheidung von Vordergrund und Hintergrund. Es entsteht aus einem verbundenen alleinigem Ganzen eine Polarität, ein scheinbares entweder-oder, ein Für und Wider, ein Gewinnen oder Verlieren.
Erst spät in unserer Reifeentwicklung können wir in Mustern von sowohl-als-auch und mehr-oder-weniger denken. Dieses kreative Integrations-Vermögen verschwindet jedoch in Streßsituationen, die wir in Übergangssituationen regelhaft erleben.
Darüber reden hilft kommunizieren und Wissen an die Folgegenerationen weiterzureichen, aber es gilt sinnlich zu überprüfen, was wir erzählen.
Daher braucht es in Belastungssituationen Abstand und Beruhigung, manchmal Beistand, um wieder klar denken zu können.
Vieles ist so, wie es ist; entscheidend ist, wie wir damit umgehen und was wir daraus machen!
Zum Schluss noch folgende Empfehlungen zu allgemeinen Vorbeugemaßnahmen, um lange selbständig zu bleiben:
Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Ballaststoffen, Vitaminen und Mineralien = halten den Stoffwechsel in Betrieb;
reichlich Wasser, denn im Alter lässt das Durstgefühl nach und führt schnell zu Verwirrungszuständen. Unser Körper besteht aus bis zu 60 % aus Wasser, das zur Regulierung der Körpertemperatur beiträgt, die Gelenke schmiert, den Blutdruck stabil hält, Schadstoffe ausschwemmt usw.
Nüsse, Hülsenfrüchte, Fisch, Eier, Olivenöl und auch mal Fleisch = zum Muskelerhalt; wenig Zucker und Salz
Regelmäßige Bewegung wie tägliche Spaziergänge bis Krafttraining und Gleichgewichtsübungen = verringert das Sturzrisiko
Geistige und soziale Aktivitäten mit Gesprächen, Lesen, Schach, Kreuzworträtseln, Freunde treffen, Ehrenamt, Hobbys, Neues lernen, z.B. Fremdsprache und oft Lachen – zur Not grimassieren Sie einfach mal und knautschen Ihr Gesicht unbeschwert wie ein Kind. Das macht Spaß, stärkt die Gesichtsmuskulatur und die Gehirndurchblutung.
Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen nutzen
Lebensweise in mittlerer Dosierung und bei mittlerer Temperatur – am besten ohne Nikotin, mäßig Alkohol, Vorsicht bei Drogen und frei verkäuflichen Medikamenten (bitte fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker – es wird nicht umsonst geworben, statt verschrieben!), mit ausreichendem Schlaf und meiden von unguten Stressbelastungen die chronische Entzündungsprozesse im Körper befeuern und erhalten.