>Falsche Diagnosen: Böse Überraschung in deiner Krankenakte?<, so lautet ein Beitrag des WDR 5 vom 03.12.2025, den wir Ihnen auf jeden Fall zur Kenntnis bringen wollen.
Im Disclaimer zum Beitrag heißt es: „Stell dir vor, deine Krankenversicherung wirft dich plötzlich raus – und du bist von einem auf den anderen Tag nicht mehr krankenversichert. Oder du wirst berufsunfähig, aber deine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht. Ärzte nehmen dich in der Behandlung womöglich nicht so richtig ernst und du weißt nicht, warum. Der mögliche Grund: Fragwürdige Diagnosen in deiner Krankenakte – zu Krankheiten, die du nie hattest: Hypochondrie, Angststörung, Kieferbruch – alles ist möglich. Die Journalistinnen Berit Kalus, Melanie Schoepf und Jana Heck des WDR-team.recherche decken auf, wie falsche Diagnosen entstehen, wie sie in deiner Krankenakte landen und was sie für Betroffene bedeuten können. Dahinter steckt ein hochkomplexes und fehleranfälliges Abrechnungssystem, in dem Ärzte aufgrund von Zeitnot, Unwissenheit und manchmal auch fragwürdigen Motiven falsche Diagnosen eintragen. Mit immer wieder verheerenden Konsequenzen für die Patienten. Und jetzt, mit der elektronischen Patientenakte, könnte sich das Problem sogar verschärfen…“
Wie kann es passieren, dass über Sie Krankheitsdaten in Ihrer Krankenakte zu finden sind, von denen Sie nicht einmal wussten, dass Sie diese Krankheit je hatten; dass aber Ihre Krankkasse oder Berufsunfähigkeitskasse davon Kenntnis hat?
Wenn der Krankenkassenangestellte (oder ein Algorithmus in deren Datenverarbeitungsanlage) feststellt, dass Sie bestimmte Krankheiten bei Abschluss der Versicherung nicht angegeben haben, kann das ja Schlimmstenfalls zur fristlosen Kündigung Ihres Versicherungsvertrages und damit zum Verlust Ihres Versicherungsschutzes führen, für den Sie vielleicht bereits jahrelang gezahlt haben!
Der wohl gravierendste Fehler im System, so meine persönliche Erfahrung, liegt in der Praxissoftware. Denn dort gibt es reichlich Möglichkeiten, Befunde zu notieren, die der Algorithmus der Praxissoftware eigenständig in ICD10-Diagnosen umwandelt.
Die ICD-10 ist die 10. Version der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD, englisch International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems). Dies ist eine medizinischen Klassifikationsliste der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie enthält Codes für Krankheiten, Anzeichen und Symptome, auffällige Befunde, Beschwerden, soziale Umstände und äußere Ursachen von Verletzungen oder Krankheiten.
Auch kann es sein, dass der Arzt, wenn er seinen Eintrag in die elektronische Karteikarte eine Diagnose als „Dauerdiagnose“ einträgt, weil zu erwarten ist, dass dieses Symptombild sich voraussichtlich über mehrere Quartale erstrecken wird. Dann muss er diese Diagnose nicht jedes Mal neu eintragen. Das spart Dokumentationszeit, die er bei aller Zeitnot die ihm im aktuellen System abgenötigt, mehr für seine Patienten zur Verfügung hat. Wird die Dauerdiagnose nicht aus dem System genommen und in einen „Zustand nach“ umgewandelt, entsteht der Eindruck einer chronischen und damit schweren Erkrankung; d.h. zu erwartend höheren Kosten für die Krankenkasse.
Ähnliches kann passieren, wenn die/der Arzt/in Befunde von Kollegen in die Patientenakte überträgt bzw. diese bald direkt in der elektronischen Patientenakte aufgeführt werden. Da kann einerseits algorithmusbedingt aus einer Mücke ein Elefant werden, andererseits beeinflusst das Gelesene die gedanklichen Wahrscheinlichkeiten, die ein Arzt bei seiner Diagnosestellung betrachtet und auch in eine vorgezeichnete Richtung lenken kann.
Eigentlich ist eine Diagnose eine Arbeitshypothese, wörtlich: ‚Unterstellung‘, die im wissenschaftlichen Sinn eine auf dem Stand der Wissenschaft gründende Annahme ist, die zwar geeignet ist, bestimmte Erscheinungen zu erklären, deren Gültigkeit aber nicht oder noch nicht bewiesen ist.
Durch das schriftliche Fixieren einer pathologischen Begrifflichkeit erscheint die Diagnose jedoch wie eine Tatsache.
Dieses scheinbare „so ist es!“ wird dann vom Verwaltungsangestellten, der seine Vorgaben abarbeitet, jedoch nicht reflektiert und fälschlich als etwas Gegebenes behandelt. Was ursprünglich eine Orientierungs- und Handlungshilfe sein sollte, wird so aus dem fließenden Sein des Lebendigen in etwas Dinghaftes überführt, das man hat. Als Patient sollte man diesen Fehler nicht auch machen; und als Ärztin oder Arzt sollte man sich diese fatale Verwechslung immer mal wieder vor Augen führen und seine codierten Diagnosen für all die vielen Patient/innen – zumindest Stichprobenartig – ansehen.

