Alters-Einsamkeit

Den vollständigen Artikel, eine Hommage auf unserer ehemalige Pfarrerin Christin Neugeborn, Emmaus Gemeinde Bieber, finden Sie auf unserer Seite Treffpunkte

Leere Bank im winterlichen Garten

Gerade noch wurde allenthalben „frohe Weihnachten“ gewünscht.
Freude, ja echte Begeisterung und Gemeinschaftserleben, waren allerdings eher bei Fußballfans, denn in Familien oder in Kirchen zu erleben, selbst zur umstrittenen Winter-Fußball-Weltmeisterschaft in Katar.
Die Beachtung der Weihnachtsbotschaft geht im Konsum immer mehr verloren. Ebenso steht es mit verbindenden sozialen Kontakten, pflegenden oder begleitenden Kräften in unserer Gesellschaft, die nur formal zu den systemrelevanten Gruppen gezählt werden.

Bei uns in Biebertal gibt es vielfältige Möglichkeiten, sich in Beziehungen zu verwirklichen, sei es über den langjährig etablierten Geragogen, über 50er VereinigungenVereineDorfcafé-Angebote, Seniorenkreise, z.B. kirchliche, die Sozialstation, den Einkaufsbus, die TagespflegePflegeheime und Pflegedienste in der Nähe wie Bunte Hummeln, die Diakoniestation Biebertal oder Hilfe rund um Pflegegrade etc. durch die Pflegeberatung Mittelhessen und viele mehr.
Und dennoch ist auch bei uns das Thema der Alten und Einsamen nicht von der Hand zu weisen.

95jährige Hände

In Deutschland fühlt sich jeder 5. über 85 Jahre alte Mensch und jeder 7. zwischen 45 – 65 Jahren einsam.
Einsam meint hier das Gefühl des inneren Getrenntseins von anderen, von sozialen Beziehungen und Benötigtwerden, vom eigenen Ich-Ideal oder von subjektiv bedeutsamen Sinnbezügen. Letztlich verweist dies auf einer ganz persönlichen Ebene auf ein gestörtes Selbst- und Weltempfinden – aber eben auch ganz real auf ein gesellschaftlich höchst relevantes Thema.
Auch die Langlebigkeit ist eine wichtige demographische Größe geworden: 1980 gab es 1,53 Mio. 80jährige, 2025 werden es 4,63 Mio. sein.

Das Risiko an Altersdemenz zu erkranken ist bei einsamen Menschen doppelt so hoch, die Zahl der suchtkranken Senioren steigt (1,7-2,8 Millionen Menschen nehmen mehr Medikamente als gesund ist, fast 30 % trinken zu viel Alkohol oder kaufen über Telesh0pping Zeug, das sie nicht brauchen), zudem ist die Sterblichkeit vergleichbar stark – über Risikofaktoren Rauchen, Übergewicht und Bewegungsmangel – erhöht, ebenso wie Erschöpfung und Depression in dieser Gruppe deutlich zunehmen.

wolkenverhangener Himmel

Der Psychiater Prof. M. Spitzer hält Einsamkeit gar für die Todesursache Nummer ein in westlichen Ländern, da die moderne Lebensform eine dauerhafte Vereinzelung und Vereinsamung mit sich bringt. Hinzu kommt ein Ethos von Jugendlichkeit und Originalität (Einzigartigkeit); was Autonomie, Multioptionalität (vieles, „alles“ ist möglich), Enttraditionalisierung (mit Orientierungslosigkeit einhergehend) und Performanz (die Leistung) beinhaltet. Alter hingegen gilt als begrenzt, unproduktiv und sinnlos – was die Gefahr beinhaltet, sich diese Werthaltung zu Herzen zu nehmen, sich zu eigen zu machen, statt kritisch zu hinterfragen und persönliche Kompetenzen zu nutzen und soziale Ressourcen aktiv zu gestalten.

Hier greifen dann durchaus christliche Werte wie Nächstenliebe, egal ob Geschwister oder Freunde, Kollegen (die im Alter weniger werden), Kinder, Enkel, Nachbarn oder auch bezahlte Helfer.
In dieser Mit-Einsamkeit ist Einsamkeit dann weniger eine Handlung, als vielmehr eine Haltung, die hilft, die eigene Hinfälligkeit zu akzeptieren.
Wie schon zuvor im Leben macht es wenig Sinn, im Gegeneinander stecken zu bleiben; es ist spätestens jetzt Zeit mitzugehen.

Fotos: Lindemann

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